Als der Frühling vor ein paar Wochen so richtig in Fahrt kam, bin ich Zeuge einer recht amüsanten Situation geworden. Die Ringeltauben vollführten mal wieder ihre interessanten Parabel-Balzflüge mit voller Begeisterung zwischen und über den Bäumen und Häusern der Gegend. Dabei flogen sie mit kräftigen Flügelschlägen einen steilen Anstieg nach oben, schlugen an der höchsten Stelle kurz mit den Flügeln aneinander, was tatsächlich so klingt, als ob jemand in die Hände klatscht, und ließen sich dann im steilen Segelflug nach unten fallen. Im Idealfall nutzten sie den Schwung aus, um gleich wieder in den nächsten Parabelflug überzugehen.
Die spezielle Ringeltaube, die ich beobachtete, musste sich nach 2 bis 3 solcher Flüge hintereinander zwischendurch auch einmal ausruhen. So eine Balz kostet halt Energie. Sie steuerte die mittleren Baumkronenregionen einer sehr großen Eiche an. Ein gerade und frei gewachsener, gesunder Baum, der größer war als die benachbarte 4-stöckige Häuserreihe.
Sie wählte einen für ihre Größe angemessen Ast aus. Aber als sie sich auf ihre plumpe Weise darauf setzte, machte es „knack“ und der über zwei Meter lange Ast entschied sich nicht mehr länger Teil des Baumes sein zu wollen und strebte dem Erdboden entgegen. Für einen winzigen Bruchteil einer Sekunde sah es so aus, als ob die Taube mit dem Ast nach unten fiel. Sie fing sich allerdings sofort und flog erschrocken davon. Die Situation sah so ulkig aus, dass ich laut auflachen musste. Natur-Slapstick vom Feinsten. Während der Ast sich seinen Weg durch das Gezweig des Baumes suchte, kreiste die Taube hektisch eine große Runde und setzte sich auf den Dachfirst eines angrenzenden Hauses. Der Schrecken schien ihr aber noch in den Gliedern zu stecken. Nach kurzem unruhigen Hin- und Hergetrippel flog sie zu einem niedrigen Nadelbaum, ebenfalls in direkter Nachbarschaft der Eiche. Der Nadelbaum-Ast bog sich verdächtig unter dem Gewicht des Vogels und ich zweifelte schon langsam an der Fähigkeit der Taube ihr Gewicht richtig einschätzen zu können. Doch der Ast blieb diesmal an Ort und Stelle. Nun, ruhte sich die Ringeltaube aus und blickte nervös immer wieder zu dem großen Laubbaum rüber. Es wirkte fast, als ob die Taube sich überlegte, ob sie dieser Eiche noch trauen konnte.
Diese ganze Situation rief mir wieder eine andere Begebenheit mit dieser Vogelart ins Gedächtnis, die das allgemeine Auftreten dieser Art meines Erachtens treffend zusammenfasst. Ich saß damals entspannt auf einer Terrasse, in deren Nähe eine Buschreihe verlief. Ein Knacken und Krachen im Geäst dieses Buschwerks lies mich hochschrecken, weil ich dachte hier kommt irgendein größeres Tier herausgeprescht. Aber es war nur eine Ringeltaube, die sich ohne Rücksicht auf ihr Federkleid einen Weg hineinverschafft hatte, um sich dort hinzusetzen. ‚Wie ein Elefant im Porzellanladen‘ dachte ich, plump und ungeschickt.
Wissen

Die Ringeltaube ist die größte in Mitteleuropa vorkommende Taubenart /1+2/. Wenn man ganz Europa betrachtet, dann ist lediglich die nur auf Madeira beheimatete Silberhalstaube noch ein kleines bisschen größer /2/. Die Größenangaben in der Literatur sind etwas unterschiedlich, aber zusammengefasst betrachtet, misst sie von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze irgendwas zwischen 38 und 45 cm /1+2/. Je nach Geschlecht und Jahreszeit fällt das Gewicht sehr unterschiedlich aus. Im Durchschnitt sind die Männchen dieser Taubenart ca. 500 g und die Weibchen ca. 450 g schwer /1/. Doch auch wenn diese Art etwas unbeholfen daherkommt, vom Gewicht her ist sie nicht schwerer als andere vergleichbar große Vögel. So sind z.B. der Waldkauz, die Knäckente und der männliche Wanderfalke ähnlich groß wie die Ringeltaube und bringen ein ähnliches Gewicht auf die Waage. Im Körpergröße/Gewicht-Verhältnis sind die beiden Raubvögel sogar noch eine Spur kräftiger im Vergleich zur Ringeltaube. Und von denen kann man nun nicht behaupten, dass sie schwerfällig wirken.
Doch, was der Ringeltaube an Grazilität fehlt, macht sie mit einer besonderen Fähigkeit wieder wett. Für ihre Küken produziert sie eine sogenannte „Taubenmilch“ oder allgemein auch „Kropfmilch“ genannt. Diese Nährlösung wird sowohl von den Männchen als auch den Weibchen produziert und kann in ihrer Funktionsweise mit der Milch von Säugetieren verglichen werden. Neben den offensichtlichen Vorteilen dieser Art der Nahrung wie hohem Nährstoffgehalt und guter Verdaulichkeit enthält sie außerdem noch immunstärkende Substanzen. Nur wenige Vögel produzieren Kropfmilch, dazu zählen neben den Tauben im Allgemeinen auch die Flamingos und die männlichen Kaiserpinguine. /3/
/1/ Bauer, H.-G., Bezzel, E., Fiedler, W. (2012): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas, ein umfassendes Handbuch zu Biologie, Gefährdung und Schutz. – Sonderausgabe in einem Band, 808 + 622 S., AULA-Verlag, Wiebelsheim.
/2/ Svensson, L. (2011 + 2024): Der Kosmos Vogelführer - Alle Arten Europas, Nordafrikas und Vorderasiens.– 2. Auflage, 448 S., 3. Auflage (Große Ausgabe), 480 S., Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart.
/3/ Gillespie, M.J., Haring, V.R., McColl, K.A. et al. (2011): Histological and global gene expression analysis of the 'lactating' pigeon crop. BMC Genomics 12, 452. http://www.biomedcentral.com/1471-2164/12/452